Die politische Grundhaltung, dass eine Gesellschaft sich dann am besten entwickelt, wenn alle Bürger in einem vernünftigen Ausmaß am erarbeiteten Wohlstand und den Entscheidungen in einer Gesellschaft teilhaben, ändert sich seit einigen Jahren: Der Zusammenhalt in der Gesellschaft verliert an Stellenwert zugunsten individueller Entfaltungsmöglichkeiten, die Rolle des Staates wird zunehmend in Frage gestellt. Öffentliche Leistungen und Sozialsysteme werden abgebaut bzw. privatisiert, Mitwirkung und Mitgestaltung der Sozialpartner werden zurückgedrängt. Bei näherer Betrachtung zeigt sich, dass dahinter die Interessen derjenigen stehen, die von einer möglichst wenig regulierten Welt profitieren, in der sich die Stärkeren durchsetzen und die Schwächeren auf der Strecke bleiben. Sind Alphabetisierung und Bildung zunächst die treibende Kraft für die Verbreitung der Demokratie, so nimmt mit zunehmend höherer Bildung, unterstützt durch die Globalisierung, die Tendenz zur Oligarchie zu, in der eine breite Beteiligung der Bürger an den gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen nicht mehr erwünscht ist und daher erschwert wird. Besonders deutlich zeigt sich dies am Beispiel der USA. Europa geht mit dem für das Europäische Gesellschaftsmodell grundlegenden Ziel des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts einen anderen Weg, zeigt aber auch gewisse Diskrepanzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Die fehlenden bzw. nicht ausreichend ausgebildeten und vor allem nicht ausreichend demokratischen Governance-Strukturen auf der internationalen Ebene begünstigen diese Entwicklung. Wir bewegen uns somit von einer Gesellschaft mit wirtschaftlichem und sozialem Zusammenhalt, orientiert am Konsens - d.h. mit sozialem und zivilem Dialog -, in Richtung einer Gesellschaft mit steigender Ungleichheit der Einkommen und Vermögen, sinkender Einflussnahme aller gesellschaftlichen Gruppen auf gesellschaftliche Entscheidungen und zunehmender Orientierung am Konflikt. Die derzeitige österreichische Realität passt genau in dieses Muster. (WISO / FUB)
Vor dem Hintergrund weltweit zunehmender Deregulierung konstatiert die Autorin auch in Österreich eine Änderung der politischen Grundhaltung, die durch den Abbau des Sozialstaates und eine Abkehr von Konsenspolitik gekennzeichnet ist. In europäischen Gesellschaften nehmen sozialer Zusammenhalt und politische Partizipation ab, Privatisierung, Ungleichheit und Orientierung am Konflikt hingegen nehmen zu. Die Begründung für diesen Trend - der Staat kann sich den sozialen Zusammenhalt nicht mehr leisten - wird von der Autorin in Frage gestellt. Sie identifiziert wirtschaftliche Interessen als treibende Kraft für diese Entwicklung. Am Beispiel der USA wird der Zusammenhang zwischen Wohlstand, Verteilung und Demokratie dargestellt. Während Bildung einerseits eine Bedingung für die Entstehung von Demokratien ist, führt weitere Bildung bei bestehenden Demokratien zur Oligarchie und zum Ausschluss weiter Teile der Bevölkerung am gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen. Dem angelsächsischen Gesellschaftsmodell wird das europäische Sozialstaatsprinzip gegenübergestellt; die Konkurrenz der beiden Gesellschaftsmodelle wird anhand der Reform der Pensionssysteme diskutiert. Auch bei den Pensionssystemen findet eine Verschiebung weg von staatlicher Sicherung hin zu privater Altersicherung statt. (IAB)
Der Wirtschafts- und Sozialausschuß der Europäischen Union (WSA) ist eine beratende Versammlung der Vertreter des wirtschaftlichen und sozialen Lebens in der Europäischen Union. In seinen Stellungnahmen, die entweder auf Aufforderung der Kommission bzw. den Rat oder aus eigener Initiative erarbeitet werden, befaßt er sich mit den wichtigen wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen der Union. In dem Beitrag werden Entstehungsgeschichte, Aufgaben, Zusammensetzung, Arbeitsweise und Wirksamkeit des Wirtschafts- und Sozialausschusses dargestellt sowie der Nutzen für die Arbeitnehmer in Europa und auch in Österreich diskutiert. (IAB2)
Die Autorin befaßt sich mit den Auswirkungen des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) für Österreich. "Für Österreichs Arbeitnehmer gilt der 'freie Personenverkehr' in beide Richtungen: es eröffnet sich die Möglichkeit, einer Beschäftigung in einem anderen EWR-Staat ohne Diskriminierung nachzugehen. Es ist nicht davon auszugehen, daß eine massive Bewegung von ausländischen Arbeitskräften aus dem EWR-Raum nach Österreich eintritt. Österreich wird weiterhin für Arbeitsuchende aus den früheren Comecon-Staaten Zielpunkt bleiben. Da diese Länder nicht EWR-Mitglieder sind, gelten für deren Staatsangehörige die Bestimmungen des 'freien Personenverkehrs' nicht." (IAB2)
"Die Zielsetzung der Europäischen Integration durch die Europäischen Gemeinschaften besteht vor allem in der Schaffung eines Gemeinsamen Marktes. In Anlehnung an die neoliberale Auffassung, daß die Vollendung des Binnenmarktes automatisch auch zu einer Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen sowie zu einer Verringerung regionaler Entwicklungsunterschiede führen würde, wurden in die EG-Verträge sozialpolitische Grundlagen nur in beschränktem Maß aufgenommen. Sozialpolitische Ziele wurden nur dort formuliert, wo sie für die Schaffung des Binnenmarktes für notwendig gehalten wurden. Dementsprechend sind auch die Kompetenzen der EG-Organe in diesem Bereich begrenzt. Sozialpolitik verblieb weiterhin überwiegend im Kompetenzbereich der Mitgliedstaaten. Angesichts der Tatsache, daß die Handlungsebene der Unternehmen sich schon lange auf die internationale Ebene verlagert hat und der Gemeinsame Markt die internationale Bewegungsfreiheit der Unternehmen fördern wird, müssen auf EG-Ebene arbeits- und sozialrechtliche Mindeststandards zwingend festgeschrieben werden, um ein soziales Dumping zu verhindern. Die Gewerkschaften sind darüberhinaus aufgerufen, die Zusammenarbeit mit den Organen der EG auszubauen und auch auf Gewerkschaftsebene die internationale Zusammenarbeit auf allen Ebenen zu verstärken und Gegenmachtpositionen zur Macht der internationalen Konzerne zu entwickeln." (Autorenreferat)